Gespräch mit einem ehemaligen Tesla-Ingenieur: Exklusive Interpretation des vierten Kapitels von Teslas großem Plan. Was ist die wahre Ambition hinter dem zehntausendwörtigen Plan?
Ein Automobilunternehmen mit einem Marktwert von Billionen investiert alles in die Forschung und Entwicklung von Robotern. Ist dies nun bloß eine technologische Phantasie von Elon Musk oder die größte industrielle Chancen der nächsten zehn Jahre?
Am 2. September veröffentlichte Tesla offiziell den "Master Plan Part IV" (Vierter Teil des Großen Plans). Dieses seit langem von der Märkte erwartete strategische Dokument hat endgültig das Label "Hersteller von Elektromobilen" von Tesla abgerissen und ein völlig neues zukünftiges Bild gezeigt.
Die Reaktion an der Wall Street war erstaunlich ruhig - der Aktienkurs von Tesla stieg nach der Veröffentlichung nur um 0,8 %. Doch hinter dieser Ruhe wird eine gewaltige industrielle Umstrukturierung geplant.
Heute hat Herr Silicon Rabbit (Silikone Kaninchen) einen ehemaligen Tesla-Ingenieur eingeladen, um diesen Plan tiefgehend zu analysieren. Dies betrifft nicht nur die Zukunft von Tesla, sondern auch, wie wir in den nächsten zehn Jahren das Ende von Technologie, Industrie und Kapital verstehen sollten.
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Wenn wir uns die Serie der Großen Pläne von Tesla ansehen, können wir deutlich die ständige Erweiterung des strategischen Horizonts eines Unternehmens beobachten:
Teil I (2006): Validierung der Machbarkeit von Elektromobilen und Penetration des Marktes von der gehobenen zur breiten Masse
Teil II (2016): Erweiterung auf die Energieökosysteme und automatisierte Fahrweise
Teil III (2023): Vorschlag für eine umfassende Elektrifizierung der globalen Energieversorgung
Teil IV (2025): Tiefgehende Integration von KI und physischer Welt zur Erreichung einer "nachhaltigen Überflusses"
Dies ist keine einfache Geschäftserweiterung, sondern eine grundlegende Veränderung der Geschäftsphilosophie.
In den ersten drei Teilen des Plans drehte sich Teslas Vision um "nachhaltige Energie", wobei das Hauptziel die Lösung der Umweltkrise durch fossile Brennstoffe war. Im Teil IV stellte Musk eine noch grandiosere Fragestellung - "Nachhaltiger Überfluss" (Sustainable Abundance) - auf.
Um dieses Ziel zu erreichen, hat Tesla fünf Leitprinzipien als Handlungsrahmen festgelegt:
Wachstum ist unbegrenzt: Technologische Innovation kann die Ressourcenbeschränkungen überwinden. Das Wachstum in einem Bereich muss nicht auf Kosten eines anderen Bereichs erfolgen;
Innovation beseitigt Beschränkungen: Durch kontinuierliche technologische Durchbrüche (z. B. Batterieengpässe, Energieeffizienz) können die festen Grenzen der physischen Welt überwunden werden;
Technologie löst reale Probleme: Konzentration auf Kerntechnologien wie Solarenergie, Energiespeicherung, automatisierte Fahrweise und Optimus, um reale Probleme wie Verkehrssicherheit, gefährliche Arbeit und Energieknappheit anzugehen;
Automatisierung bringt der ganzen Menschheit Nutzen: Sicherstellung, dass die technologische Entwicklung auf der Verbesserung des allgemeinen Wohlergehens basiert und nicht das Privileg einer Minderheit ist;
Breite Verbreitung treibt das Wachstum an: Massenproduktion von Hochtechnologieprodukten zu erschwinglichen Preisen, um eine Demokratisierung der Technologie und soziale Gerechtigkeit zu erreichen.
Musks Vision des "nachhaltigen Überflusses" bedeutet im Wesentlichen eine Neudefinition der Wachstumsgrenze des Kapitalismus.
In den letzten 200 Jahren haben Ökonomen immer angenommen, dass begrenzte Ressourcen die grundlegende Beschränkung für das Wirtschaftswachstum seien. Aber Musk glaubt, dass durch KI und Robotik die Menschen die Wachstumslogik des "Nullsummenspiels" überwinden können und einen Zustand von unbegrenzten Ressourcen und null Umweltbelastung schaffen können.
Was bedeutet diese Veränderung für die Anleger? Einfach ausgedrückt: Eine Investition in Tesla ist nicht mehr eine Investition in ein Automobilunternehmen, sondern eine Wette auf ein integriertes Ökosystem aus "KI + Energie + Robotik".
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Teslas Zukunft basiert auf zwei technologischen Säulen: dem humanoiden Roboter Optimus und der selbstfahrenden Robotaxi.
Musk sagte im Plan klar: Künftig wird etwa 80 % des Wertes von Tesla vom Roboter Optimus stammen. Diese Einschätzung basiert auf dem enormen Potenzial des globalen Marktes für humane Roboter - bis 2050 wird der Markt für humane Roboter einen Volumen von 5 Billionen US - Dollar erreichen, weit über dem heutigen Weltmarktvolumen von 3 Billionen US - Dollar für Automobile.
Teslas Plan ist erstaunlich aggressiv: Der dritte Prototyp von Optimus wird Ende 2025 vorgestellt, die Massenproduktion beginnt 2026 und das Produktionsziel für fünf Jahre ist eine Million Stück pro Jahr.
Viele Analysten bezweifeln die Machbarkeit dieses Zeitplans. Aber die tiefere Logik liegt in der qualitativen Veränderung der technologischen Integration.
Die ersten drei Teile des Plans befassten sich zwar mit automatisierter Fahrweise (Teil II) und Energienetzwerken (Teil III), aber es blieb immer auf der Ebene der "Erweiterung der Anwendungsfälle". Im Teil IV wird erstmals KI als Basis - Technologie eingesetzt, um eine "tiefgehende Integration von KI und physischer Welt" über Optimus zu erreichen.
Tesla versucht, die Erfahrungen in der Massenproduktion aus dem Automobilbereich (z. B. 4680 - Batterien, Großgießpressen) auf die Robotermontage zu übertragen und gleichzeitig die Algorithmen für die automatisierte Fahrweise von FSD auf die Umweltwahrnehmung der Roboter zu übertragen, um einen technologischen Zyklus von "Automobil - Energie - KI - Roboter" zu bilden.
Experten warnen die Anleger jedoch, sich am meisten um die folgende Frage zu kümmern: Wie kann Tesla in der hochkompetitiven Robotikbranche führend bleiben?
Die Antwort könnte in Teslas einzigartiger Fähigkeit zur vertikalen Integration liegen - von der Chipentwicklung, der neuronalen Netzwerkausbildung bis zur Batteriesystementwicklung und schließlich zur Massenproduktion ist Tesla eines der wenigen Unternehmen, das die gesamte Wertschöpfungskette beherrscht.
Im Bereich der automatisierten Fahrweise geht Tesla von der technologischen Validierung zur vollständigen Kommerzialisierung über:
Die Robotaxi - Dienstleistung wurde in Austin, Texas, USA, gestartet;
Es ist geplant, dass bis Ende 2025 die Dienstleistung in der Bay Area und anderen Bundesstaaten angeboten wird;
Das Ziel ist, die Nutzungsrate jedes Fahrzeugs um das 5 - 10 - fache zu erhöhen.
Die Kommerzialisierung der automatisierten Fahrweise könnte möglicherweise früher als die der Roboter zu einem massenhaften Gewinn führen. Laut Musks Berechnungen wird ein herkömmliches Auto im Durchschnitt nur 10 Stunden pro Woche genutzt, während eine Robotaxi auf 80 - 100 Stunden erhöht werden kann, was eine revolutionäre Verbesserung der Effizienz des Verkehrssystems bedeutet.
Wenn Autos nicht mehr nur Autos sind, sondern mobile KI - Endgeräte, und wenn Roboter nicht mehr nur Science - Fiction sind, sondern Haushaltsbedarf, werden die traditionellen Industriegrenzen grundlegend neu strukturiert.
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Natürlich desto grandioser der Plan, desto größer sind die Zweifel. Als ehemaliger Tesla - Ingenieur warnt der Experte die Anleger, auch die andere Seite zu betrachten. Das größte Risiko kommt genau aus Teslas Vergangenheit. Erinnern Sie sich?
An Musks "Versprechensliste" als Tech - Visionär sind schon viele unerreichte Ziele angelagert. Von der automatisierten Fahrweise bis zur sauberen Energie haben eine Reihe von verpassten Zielen das Vertrauen der Anleger erschüttert, und der neue Plan wirkt eher wie ein "Wolf, Wolf!" - Risikospiel.
Zurückblickend auf den "Master Plan 2.0" von 2016 hatte Musk versprochen, einen Elektrolastkraftwagen und eine selbstfahrende Taxidienstleistung anzubieten. Zehn Jahre später befindet sich der Elektrobus immer noch in der Konzeptphase, und selbst Musk musste zugeben, dass diese Produkte "noch nicht auf den Markt gebracht" wurden.
Was noch ironischer ist, wird der Cybercab (Robotaxi), der 2024 von Tesla vorgestellt wurde, frühestens 2026 in Serie gehen können, während der chinesische Konkurrent "Luobo Kuaipao" bereits im Juli 2024 in Wuhan in die Testphase gegangen ist, was einen Zeitunterschied von zwei Jahren bedeutet.
Nach zehn Jahren der Vermarktung der Solardach - Geschäft hat dieser Bereich immer noch weniger als 5 % des Umsatzes. Die mehrfache Preiserhöhung hat die Marktannehmbarkeit gesenkt. Die Ziele von "240 TWh Energiespeicherung und 30 TW erneuerbarer Stromerzeugung" aus Teil III wurden wegen des "Fehlens eines konkreten Umsetzungspfads" als "Luftschloss" kritisiert.
Wie die Tech - Medien Electrek scharf feststellte, wirken viele von Musks Plänen eher wie "Marketingerklärungen als wie umsetzbare Pläne". Wenn die Geschichte des "Wolf, Wolf!" immer wiederholt wird, ist es unvermeidlich, dass das Vertrauen in den "Master Plan IV" der Märkte erschüttert wird.
Jetzt muss Optimus in nur wenigen Jahren die Last von "80 % des Unternehmenswerts" tragen. Die technologische Reife, die Serienproduktionsfähigkeit und die Marktannehmbarkeit unterliegen großen Unsicherheiten.
Ist dieser Sprung von "nachhaltiger Energie" zu "nachhaltigem Überfluss" Musks Voraussicht oder nur wieder einmal "Blumen auf den Tod"? Die Zeit wird es zeigen. Eines ist sicher: Teslas Schicksal hängt jetzt von der Wettlaufbahn der humanoiden Roboter ab.
Dieser Artikel stammt aus dem WeChat - Account "Silicon Rabbit" (ID: gh_1faae33d0655), Autor: Silicon Rabbit. 36Kr hat die Veröffentlichung mit Genehmigung durchgeführt.