Nach dem Kauf von zwei neuen chinesischen Medikamenten hat dieses US-Pharmaunternehmen 2,5 Milliarden Dollar aufgebracht | Fokusanalyse
Mitte September sorgte das ausländische Biotechnologieunternehmen Candid Therapeutic, das eine Finanzierung von 3,7 Millionen US-Dollar ankündigte, in China für Aufsehen. Neben dem Aufstellen eines neuen Rekords in der Biopharma-Branche im Jahr 2024, sorgte das Unternehmen vor allem deswegen für Gespräche, weil zwei seiner Kernprodukte von neu gegründeten NewCo-Unternehmen in China aufgekauft wurden. Beides sind derzeit populäre TCE-Biologika zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen.
Zwei dieser NewCo-Unternehmen sind TRC004, gegründet von Genor Biopharma zusammen mit Two River, sowie Vignette Bio, gegründet von I-Mab Biopharma in Kooperation mit Foresite. Vignette Bio trat nur eine Woche vor Candid an die Öffentlichkeit.
Das Jahr 2024 könnte als das Jahr der NewCo-Produktlizenzen in die Annalen der chinesischen Pharmaindustrie eingehen. Dabei handelt es sich um eine Unterscheidung zum traditionellen Lizenzierungsmodell, bei dem in der Regel Finanzinvestoren im Ausland neue Unternehmen gründen, an die chinesische Pharmaunternehmen ihre Produkte ausgliedern und im Gegenzug eine finanzielle Kompensation sowie Anteile erhalten.
Der ideale Ausgang dieser Deals ist der Verkauf des Unternehmens an ein multinationales Pharmaunternehmen oder ein IPO an der US-Börse, nachdem die Produktherstellung einige Jahre reifen konnte.
Die Geschwindigkeit bei der Finanzierung, Lizenzvergabe und Fusion von Candid Therapeutic ist in der Tat bemerkenswert.
Um die genauen Details des Handels zu erfahren, suchten wir ein Gespräch mit Dr. Chenbing Wu, Gründer von I-Mab Biopharma, einem der Beteiligten dieses Deals. Als Ausgangspunkt für die Lizenzvergabe hat I-Mab Biopharma durch die Kooperation mit Foresite eine Erstzahlung von insgesamt 60 Millionen US-Dollar sowie bis zu 575 Millionen US-Dollar an Meilensteinzahlungen für die weitere Produktentwicklung und Markteinführung erhalten.
Dr. Wu gibt zu, dass es eine "sehr zufriedenstellende Kooperation" für beide Seiten war. Es ist I-Mab Biopharmas erster erfolgreicher Auslandsdeal und ein starkes Zeugnis für ihr TCE-Biologika-Entwicklungsprogramm. "Wir werden den Autoimmunbereich weiterhin beobachten und beginnen nun auch mit der Entwicklung relevanter Anwendungen, in der Hoffnung, dass diese Erfolgserfahrung auf zukünftige Pipeline-Forschung übertragen werden kann."
Am Tag der Aufsichtsratssitzung wurde noch ein Term Sheet eingeholt.
Das Produkt, mit dem I-Mab Biopharma an dem NewCo-Deal teilgenommen hat, ist EMB-06, ein TCE-Biologikum zur Behandlung von multiplem Myelom, das BCMA/CD3 als Zielmolekül hat.
EMB-06 ist ein innovativer bioengineerter Antikörper, der das einzigartige Potenzial besitzt, sich an zwei verschiedene Antigene auf verschiedenen Zellen zu binden. Üblicherweise bindet das eine Ende an das CD3-Molekül auf der Oberfläche von T-Zellen, während das andere Ende an spezifische Antigene auf Zellen bindet, die mit Tumoren oder Autoimmunerkrankungen in Verbindung stehen. Im Vergleich zu herkömmlichen monoklonalen Antikörpern kann das Design von TCE-Biologika den Abstand zwischen T-Zellen und Zielzellen verkürzen und dadurch die T-Zell-Aktivierung und eine stärkere zytotoxische Wirkung unterstützen.
Ende 2023 offenbarte EMB-06 die erste Serie von klinischen Daten am Menschen und zeigte vielversprechende Ergebnisse in Bezug auf Wirksamkeit und Sicherheit, die andere Moleküle der gleichen Klasse übertrafen. Daraufhin begann I-Mab Biopharma mit der Suche nach internationalen Partnern.
Anfänglich konzentrierten sich ihre Versuche stärker auf das therapeutische Gebiet der Onkologie, was sowohl den Gründungsfokus von I-Mab als auch das enorme Potenzial von TCE-Biologika in der Krebsbehandlung widerspiegelt. Mittlerweile sind weltweit über ein Dutzend TCE-Biologika erhältlich, vor allem in der Behandlung von Blutkrebsen, mit Umsatzerwartungen von bis zu 5 Milliarden US-Dollar pro Einzelprodukt.
Der zunehmende Wettbewerb im Bereich der TCE-Biologika und Durchbrüche in der technologischen Entwicklung und Sicherheit haben jedoch einen neuen Trend eingeleitet: Unternehmen weltweit lenken ihre Aufmerksamkeit zunehmend auf Autoimmunerkrankungen.
Der Standpunkt der Käufer könnte dies am besten veranschaulichen. Im Januar, als Dr. Wu an der JPM Healthcare Conference in den USA teilnahm, um das Tumorprofil von EMB-06 vorzustellen, bekundeten ausländische Pharmafirmen und Fonds umfassendes Interesse an der Entwicklung von Anwendungen im Bereich der Autoimmunität.
Abgesehen von den Marktaussichten spielen klinische Daten eine entscheidende Rolle. "Unsere Daten stammen zwar aus der Onkologie, aber durch die Entdeckung zahlreicher Biomarker während der Forschung ist das molekulare Wirkprinzip übertragbar auf den Immunbereich und bestätigt das Potenzial dieses Moleküls, dort nach der Lizenzierung Fuß zu fassen."
Berichten zufolge fanden Gespräche zwischen I-Mab Biopharma und zwei bis drei der weltweit führenden Top-10-Pharmakonzerne statt. Darüber hinaus zeigten auch BioTechs und VCs, die von der Onkologie zur Immunologie übergehen, Interesse, darunter einige, die später an der NewCo-Transaktion teilnahmen, wie etwa Qiming Venture Partners.
Im Jahr 2024 sind die Verhandlungen über TCE-Biologika äußerst aktiv. Jeder wollte schnell solche Produkte auf dem Weg haben", so Dr. Wu schmunzelnd: "Für die internationale Zusammenarbeit im Immunbereich kamen die Anfragen hauptsächlich von anderen Unternehmen. EMB-06 erhielt während der Verhandlungen eine Reihe verschiedener Term Sheets. Noch am Morgen der Aufsichtsratssitzung, die den Deal freigab, erhielten wir ein weiteres Term Sheet."
Sichtweise des Lizenzgebers zu NewCo: Nutzung von externem Kapital, um den Produktwert früher zu maximieren
Trotz steigender Beliebtheit der NewCo-Modelle gibt es auch einige konträre Meinungen. Bei der Lizenzierung von EMB-06 hatte I-Mab Biopharma keine schlechte Auswahl, warum also diese Entscheidung?
Dr. Wu erklärt, dass diese Entscheidung aus Sicht des Wettbewerbs und der zukünftigen Entwicklung der Lizenzpipelines getroffen wurde. Der Markt schätzt das Potenzial von TCE-Biologika im Bereich Autoimmunerkrankungen höher ein, aber "unterschiedliche Partner stellen unterschiedliche Anforderungen an TCE-Biologika-Daten". Große Pharmaunternehmen bevorzugen in der Regel Moleküle mit umfangreicheren klinischen Daten, insbesondere zur Wirksamkeit der gerade entwickelten Anwendungen.
Zur Mitte des Jahres 2023 waren offen gelegte Daten zu TCE-Biologika stark auf die CD19/CD3-Zielkombination fokussiert, wie z. B. bei Amgens Ankündigung einer bestimmten Wirksamkeit bei der Behandlung von rheumatoider Arthritis. Das Hauptelement von I-Mab Biopharma, die BCMA/CD3-Zielkombination, wurde erst kürzlich in Early-Stage-Daten vorgestellt.
“Große Pharmaunternehmen haben eher Vertrauen in CD19 und wollen bei BCMA abwarten. VC-Kapital hingegen ist bereit, mehr Risiken einzugehen und arbeitet schnell, sodass ein tiefer gehender Austausch mit ihnen möglich ist.” merkte Dr. Wu an.
In dieser Perspektive besteht der Mehrwert für chinesische Biotech-Unternehmen bei der Gründung neuer Firmen nicht nur darin, sich schnell finanzielle Mittel zu sichern, sondern auch den Trend zu nutzen. Denn sobald sich der Markt bewährt hat, sind schnelle Entscheidungen gefragt. So hat sich Rongchang Bio im August einen Deal über 1,3 Milliarden US-Dollar mit Merck gesichert und steht damit ganz oben auf der Liste chinesischer Biologika.
Aus Sicht der weiteren Produktentwicklungen stellt sich die Frage, ob käuferseitige Entwicklungs- und Investitionsentscheidungen gerechtfertigt sind. Für Onkologie und Autoimmunität sind unterschiedliche klinische Fähigkeiten erforderlich, zudem sind große finanzielle Mittel für die Durchführung erforderlich, während II-Phasen-Studien auf Hunderte von Fällen ausgedehnt werden können. Der Umbau erfordert somit einiges an Ressourcen.
Durch die Versorgung mit externem Kapital können Unternehmen bereits in der Frühphase des Produktentwicklungsprozesses von neuen Kooperationen profitieren und ihr Projekt schneller auf einen hohen Wert steigern.
So begann die Geschichte von Candid Therapeutic. Berichte zeigen, dass Foresite Labs, sowohl Investor in I-Mab Biopharma als auch Genor Biopharma, eine Schlüsselrolle bei der Aufsetzung der Transaktion spielte. Die Pipeline wird zukünftig hauptsächlich vom Management-Team von Candid Therapeutic vorangetrieben, deren Vorgänger-Unternehmen vor Kurzem für 4 Milliarden US-Dollar von Bristol-Myers Squibb übernommen wurde.
„Man hat rund 50 Optionen sondiert, und als das TCE-Projekt auf den Tisch kam, haben sie reges Interesse gezeigt und es als Durchbruch im Immunbereich gesehen. Diese Kollaboration ist ein großer Fortschritt für beide Seiten“.
Aus der Sicht des Lizenzgebers gesehen ist I-Mab Biopharma hoch erfreut über diese Transaktion. “Da NewCo boomt, ist jedes Unternehmen in der Lage, schnell etwas zu finanzieren und ein Projekt anzugehen. Kaum ein Unternehmen wird dabei herausstechen, weshalb sich das Interesse an der Kapitalkombination enorm steigert. Vor allem die TCE-Biologika-Mechanismen überlagern sich nicht und die B-Zell-Reifungsphasen sind leicht unterschiedlich. Dadurch formt sich eine hervorragende Komplementärstrategie für die spätere Wahl der Indikationen und zur Risikokontrolle. Candid Therapeutic hat dies erfolgreich umgesetzt, was uns hilft, frühzeitig eine globale Entwicklungsfinanzierung zu erschließen", erklärte Wu.
Besorgt um die immer wieder diskutierte Praxis, sich von Firma zu Firma Projekte zu sichern, stellte Dr. Wu klar, dass es bei dieser Transaktion keine Strukturprobleme gibt. “Die eigentliche Übertragungsvereinbarung und das Aktienrechte-Design wurden gut geschützt.”
Zugleich merkte Wu an, dass sich nicht alle Produkttypen für die Gründung von NewCo eignen. Das Ziel solcher Unternehmen ist schließlich, „mehrfache Renditen zu erzielen“, wodurch sie besonderen Wert auf die Größe der potentiellen Patientenzahl legen. Frühzeitig verfügbare klinische Daten helfen, andernfalls fällt es schwer, den strategischen Wert zu bestimmen.
„Abbau“ von Chinas neuen Arzneimittelassets,
Auslandsmärkte favorisieren Moleküle mit „klarem Wirkprinzip“
Nach Abschluss der Finanzierung verkündete Candid Therapeutic, dass beide erworbenen TCE-Biologika aus China das Potenzial haben, „best-in-class-Therapeutika im Bereich Autoimmunerkrankungen zu werden“.
Angesichts der gegenwärtigen Finanzschwierigkeiten sind Auslandsverträge zur Generierung von Einnahmen in der chinesischen Biopharma-Branche weithin akzeptiert. In der Welt der TCE-Biologics haben neben I-Mab und Genor schon Konoya, ImmuneOnco und Rongchang Bio in diesem Jahr Auslandsdeals getätigt, die bis zu 2 Milliarden US-Dollar einbrachten.
Was macht eine erfolgreiche Produkteinlizenzierung attraktiver für weltweite Pharmafirmen oder Investments?
Beim Durchspielen des Transaktionsprozesses, erinnert sich Dr. Wu, war anfangs nicht klar, welche Unternehmen Interesse an EMB-06 zeigen würden. Aber im Dialog wurde deutlich, dass die Vertrautheit mit dem Molekülmechanismus und das klinische Design entscheidende Faktoren sind.
„Um internationale Pharmaunternehmen zu überzeugen, bedarf es eines umfassenden Verständnisses darüber, wie das Molekül wirkt – vom Moleküldesign, über die spezifische Expressionsprüfung bis hin zu Tiermodellen und abschließendem klinischen Nachweis muss alles lückenlos belegt sein. Aber es existieren inländische Probleme, wo Unternehmen über Daten verfügen, aber nicht wissen, warum diese Ergebnisse vorliegen.“
Darüber hinaus achten internationale Pharmaunternehmen sehr auf die klinische Qualität und fordern den Nachweis für Abweichung in Bezug auf mitbewerbende Produkte, Ethnien oder therapeutische Anwendungen. Dies “fordert hohen Einsatz der klinischen Teams“. EMB-06 zeichnet sich z. B. dadurch aus, dass es sich um ein Biologikum mit einer stärkeren Sicherheitskontrolle handelt. Zusätzlich wurde über 50 % der klinischen Rekrutierung im Ausland abgewickelt, was „Vielfältigkeit in der Patientenauswahl schafft und Vorteile beim Abschluss eines internationalen Deals bietet“.
Ein weiteres, viel diskutiertes Thema ist die Rückhaltung der chinesischen Vermarktungsrechte.
Aus den heutigen Gesprächen ging hervor, dass die Grundhaltung der Beteiligten uneinheitlich ist – was davon abhängt, ob das Produkt das Herzstück des Unternehmens darstellt und die Marktgröße Chinas die eigene Entwicklung rechtfertigt.
Ersteres ist relativ eingängig, doch bei zweitem – insbesondere im Bereich der Autoimmunerkrankungen – kann die potenzielle Indikationsvielfalt in einem Kontext der alternden Bevölkerung und Mitarbeit zu Gesundheitssysteminnovationen größere Märkte erschließen.
Aus demselben Grund behielt I-Mab bei der Lizenzvergabe die Rechte an EMB-06 in China. “Autoimmunkrankheiten zeigen bestimmte ethnische Unterschiede, ausländische Unternehmen werden eventuell nicht alle benutzerdefinierten Indikationen für Chinas Patienten selbst erforschen, was in solchen Situationen eine Gelegenheit darstellt; auf der anderen Seite zeigen sie Interesse an einem ‚China only‘ Konzept und sind eher bereit für eine Zusammenarbeit bei Verzicht auf global-rechte Produktlizenzen“ sagte Wu.
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